Der Umgang mit dem Medium Wasserstoff ist keineswegs so neu, wie es die jüngsten Diskussionen rund um die Verwendung des Energieträgers für Mobilität und Stahlerzeugung vermuten lassen. Raffinerien arbeiten beispielsweise schon seit über 100 Jahren mit dem molekularen Gas, das auf die chemische Formel H2 hört. Sowohl Vorteile als auch Nachteile von Wasserstoff sind gemeinhin und seit langer Zeit bekannt, was die Handhabung im industriellen Kontext keinesfalls zum Mysterium macht. Auch bei KLINGER Kempchen hat man sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt – vor allem mit der Frage nach den geeigneten Dichtungen für den Einsatz in Hochdruck-Wasserstoffanwendungen.
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Torsten Bial, Leiter Engineering bei KLINGER Kempchen
Anpassung des Dichtungsmaterials an den Betriebsdruck
„Je höher der Druck in einem System steigt, desto höher werden die Anforderungen an die zu verwendenden Dichtungen“, sagt Torsten Bial, der technische Leiter der Abteilung Engineering bei KLINGER Kempchen. Für hohe Drücke über 40 Bar kommen laut ihm einige wenige Dichtungstypen in Frage, die Wasserstoff sicher und in Kombination mit akzeptablen Leckageverlusten abdichten. „Im Niederdruckbereich unterhalb von 25 Bar hingegen gelten fast keine Einschränkungen, hier gibt es eine Vielzahl von Dichtungstypen, die gut und zuverlässig abdichten“, macht Bial die Unterscheidung deutlich. Es könnten auch einfache Flachdichtungen eingesetzt werden, mit der Einschränkung, dass bei der Konstruktion der Dichtverbindung genügend Kontaktdruck und somit Haftreibungskraft erzeugt werden muss. Denn so könne auch bei ungünstigen Betriebsbedingungen oder einer schlechten Montage ein Dichtungsversagen vermieden werden.
Einsatz metallischer Dichtungen zur Verlustreduktion
Unabhängig vom Druckbereich ist eine undichte Konstruktion bei Wasserstoffanwendungen immer unerfreulich – und das weniger aufgrund der leichten Entzündlichkeit des Gases. Denn schon die allgemeine Mindestdichtheitsanforderung der nach VDI 2290 (Dichtheitsklasse L=0,01) verhindert das Entstehen einer explosionsfähigen Atmosphäre in den meisten Umgebungen. Das größere Problem sieht Bial in den wirtschaftlichen Verlusten eines undichten Wasserstoffsystems:

„Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft und somit ein teures Gut, je größer die Leckagen und deren Summe, desto schneller kommen einige Kilo oder in Abhängigkeit der Anlagengröße, der Summe aller Dichtverbindungen und der erwarteten Lebensdauer der Dichtungen, sogar Tonnen von Wasserstoff zusammen, die durch Dichtungen verloren gehen.“
Torsten Bial leitet den Bereich Technik (Abteilungen Engineering, Labore, Entwicklung) bei KLINGER Kempchen.
Solche Verluste lassen sich nur mit hochwertigen Dichtungen und einer qualifizierten Auslegung und Montage der Dichtverbindungen reduzieren. Die niedrigsten Verluste – so gering, dass sie außerhalb des messbaren Bereichs stattfinden – lassen hier nur rein metallische Dichtungen zu.
Präzisionsprüfungen von Dichtungen unter Wasserstoffbedingungen
Gemessen wird zu diesem Thema bei KLINGER Kempchen mit höchster Akribie. „Wir prüfen Dichtungsmaterialien 24 Stunden an sieben Tagen die Woche. Von der einfachen Flachdichtung aus Graphit über Faserstoffdichtung und PFTE-Dichtungen bis hin zu allen semimetallischen Dichtungsvarianten sowie rein metallische Schmiegedichtungen führen wir Leckagemessungen mit Wasserstoff von zehn bis 200 Bar durch“, sagt Bial.
Die daraus entstandenen Daten dienen als Basis für Berechnungsmodelle, die in Gesamtanlagen mit Flanschverbindungen verschiedenster Nenndruckstufen den Gesamtverlust von Wasserstoff beziffern können – unter Einbeziehung der Einbaubedingungen wie Schraubenkraft, Dichtungsflächenpressung oder Betriebsdruck.
Gerade bei einer hohen Anzahl von Flanschverbindungen in einer Anlage kann das eine wichtige Information hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit sein. Diese Berechnungsmodelle werden zurzeit verfeinert und sollen noch 2024 den Kunden zu Verfügung gestellt werden.
Frequently asked questions (FAQ)
Welche Auswahlkriterien sind für Dichtungen in Wasserstoffanwendungen entscheidend?
Bei der Auswahl von Dichtungen im Bereich Wasserstoff kommt es zunächst auf die Betriebstemperatur an. Korrosion zählt zu einer der Gefährdungen, die durch Wasserstoff ausgelöst werden kann – und verstärkt sich mit zunehmender Temperatur des Mediums. Entscheidend ist auch der Betriebsdruck – je höher der Betriebsdruck, desto höher muss die aufgebrachte Schraubenkraft werden, um eine ausreichende Anformung und Kontaktdruck zu erzielen. Wichtig ist auch die Beständigkeit: Bei der Wahl der Dichtungswerkstoffe ist darauf zu achten, dass sie unter Berücksichtigung von Temperatur und Betriebsdruck die gewünschte Beständigkeit gegen das jeweilige Medium aufweisen. Ein weiteres Kriterium ist die Dichtheitsanforderung (welcher Wasserstoffverlust kann akzeptiert werden), denn das Leckageverhalten ist auch abhängig vom gewählten Dichtungstyp.
Welche Dichtungstypen sind nicht gegen Wasserstoff beständig?
Grundlegend sind, bis auf wenige Ausnahmen, alle Dichtungen gegen Wasserstoff beständig. Bei metallischen Dichtungen sind es bestimmte Buntmetalle, sowie Titan- und Nickelwekstoffe bei hoher Temperatur, die nicht für den Einsatz bei Wasserstoffanwendungen geeignet sind.
Was ist unter den Begriffen Permeation und Diffusion bei Wasserstoff zu verstehen?
Permeation beschreibt die Durchdringung von Feststoffen durch Gase. Wasserstoffmoleküle zersetzen sich an der Oberfläche von Metallen zu Wasserstoffatomen, die aufgrund ihrer geringen Größe durch die Lücken des Metallgitters hindurchdringen können – ein Vorgang, der mit dem Begriff Diffusion bezeichnet wird. Verbinden sich die Wasserstoffatome nach dem Austritt aus dem Metall wieder zu Molekülen, ist von Desorption die Rede.

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