Chemische Analyse deckt versteckte Elastomer-Mischungen auf
Ein Fall entpuppte sich als klassische Täuschung: eine Dichtung eines Mitbewerbers, die im Datenblatt als EPDM deklariert war, stellte sich bei der chemischen Analyse im Labor aber als Verschnitt von drei verschiedenen Elastomer-Typen heraus. Untersucht wurde sie im Labor von KLINGER Kempchen, weil sie im Einsatz versagt hat: „Zum Glück hat das keinen Personenschaden zur Folge gehabt. Bei der Materialprüfung hat sich dann schnell herausgestellt, dass der Großteil der verwendeten Elastomere nicht gegen das Kontaktmedium beständig war, in dem die Dichtung eingesetzt wurde. Das konnten wir eindeutig nachweisen“, sagt Kirsten Hacker.

Für detektivische Arbeit wie diese brennt die gelernte Chemielaborantin, die bei KLINGER Kempchen nicht selten den sprichwörtlichen „Sherlock-Holmes-Hut“ aufsetzt, wenn es um knifflige Fragen zur Herkunft unbekannter Materialien geht. Ihr Einsatzspektrum reicht von Routine-Wareneingangsanalysen, und Materialprüfungen einschließlich der Erstellung deren chemischen Berichte zur Qualitätssicherung der Produkte von KLINGER Kempchen. Als sie dort 2008 im Labor angefangen hatte, war das Dichtungs-Thema noch Neuland: „Mir war damals gar nicht bewusst, dass Dichtungen uns überall begegnen. Schnell geht man aber durch die Welt und sieht nur noch Kompensatoren, Flanschverbindungen und Dichtungen. Und man achtet natürlich immer drauf, ob sie vielleicht von KLINGER sind“, lächelt sie verschmitzt.
„Lass dir nichts anderes einreden“
Neugier und ein analytischer Blick begleiten Hacker schon von Kindesbeinen an. Als wissbegieriges Kind ging sie bereits mit fünf Jahren in die Schule, ein Chemiebaukasten hinterließ großen Eindruck. Großen Einfluss auf ihren Werdegang hatte aber auch ihr Vater: „Er hat mich immer sehr dabei unterstützt, handwerkliche Erfahrungen zu sammeln und mir gezeigt, wie man unter anderem Löcher in Fliesen bohrt, schraubt, sägt, schweißt … und hat mir hierbei jegliche Unsicherheit genommen. Seine Worte prägten mich: „was du willst, das schaffst du auch, auch als Mädchen. Lass dir nichts anderes einreden! `‘“, erzählt Hacker über die prägenden Einflüsse in ihrem beruflichen und privaten Leben. Die Schule hingegen langweilte sie schnell, da sie immer mehr lernen wollte. Mit 15 Jahren, nachdem sie ihre Schulkarriere abgeschlossen hatte, begann sie ihre Ausbildung zur Laborantin. Das Labor hat sie seitdem nicht mehr losgelassen.
Von Nachtschichten bis zur Motorradwartung: jedes Werkzeug im Griff
Auch, weil sie sich als Frau dort gut behaupten konnte und keinen Widerständen ausgesetzt war. Im Gegenteil, sie konnte mit ihren breit gefächerten Fähigkeiten regelrecht auftrumpfen: „Bei meinem vorherigen Arbeitgeber versah ich ab und zu auch 24-Stunden-Dienste mit Rufbereitschaft. Da musste ich manchmal in voller Montur und mit Werkzeugtasche in den Betrieb gehen und mitten in der Nacht Maschinen wieder zum Laufen bringen. Die Männer haben nicht schlecht gestaunt, als ich dabei Hebelkraft einsetzte“, sagt Hacker. Hier kommt auch ihre Leidenschaft für das Motorradfahren zupass – Hacker schraubt daran auch gerne selbst.

CSI-ähnliche Detektivarbeit im Labor
Die Arbeit im Labor dagegen erfordert feinere Klinge. Wenn Vertriebskolleg:innen oder Kunden ein unbekanntes Material bestimmen lassen möchten, beginnt eine Spurensuche, die bisweilen an eine CSI-Episode erinnern könnte. Da werden unbekannte Dichtungen auf ihre Materialbeschaffenheit untersucht, Hacker setzt dabei unter anderem auf thermische Analytik, Dichte- und Härtebestimmung – und ihren Erfahrungsschatz: „Bei komplexeren Fragestellungen werden auch mal andere Labore herangezogen, die über weitere Prüfgeräte verfügen. Man kann nicht alles im eigenen Labor haben, dafür reicht der Platz nicht. Aber über die Jahre baut man sich ein gutes Netzwerk auf“, sagt Hacker. Das Labor- und Engineering-Team unterstützt auch bei Qualitätsprüfungen, der geeigneten Werkstoffauswahl, Flanschauslegung und -berechnung. „Damit dürfen wir auch ein Stück dazu beitragen, dass die Welt ein bisschen sicherer wird“, so Hacker.
Methoden der Materialanalyse: Thermische Tests, Dichte, Härte und mehr
Aber auch bei KLINGER Kempchen hat sie allerlei faszinierende Werkzeuge zur Verfügung, die dem Laien oft wie Alchemie anmuten. Sie bestimmt etwa die chemische Beständigkeit, die Temperatur, bei der Materialien schmelzen oder sich zersetzen, und zieht daraus Schlüsse über die Beschaffenheit und Eignung für den jeweiligen Einsatz. Mit Hilfe des digitalen Mikroskops lassen sich oft Rückschlüsse ziehen, z. B. bei Verbrennungsrückständen auf ein Compound oder bei Materialschädigungen auf die eventuelle Ursache. Langzeitoxidationstests in Bauteilversuchen geben mehr Sicherheit bei dem Einsatz von Materialien. „Bei uns im Labor ist kein Tag wie der andere. Die Arbeit ist wirklich spannend, auch nach Jahren der Betriebszugehörigkeit“, sagt Hacker.
Die Leidenschaft für Wissenschaft an Schüler:innen weitergeben
Ihre Faszination für die Chemie und Werkstoffkunde gibt sie auch gerne an Schul- und Studentenpraktikant:nnen weiter, die bei ihr im Labor einen ganz neuen Blick auf die anspruchsvolle Materie erhalten. „Meiner Meinung nach kommen Naturwissenschaften in der Schule leider oft zu kurz. Ich sehe, welches Feuer ich entfachen kann, wenn ich den jungen Leuten interessante chemische Experimente zeigen kann. Chemie ist ein faszinierendes Fach, das man selbst probieren, sehen, riechen – und auch gerne mal hören darf. Denn manchmal lassen wir es im Labor auch krachen.“